Heft 
60 (2025) 1
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30 L IE B L IN G S O B JE K T Das Malhorn Nach der ersten COVID-Welle veranstaltete der Verein für Volkskunde im September 2020 eine Busexkursion nach Gmunden am Traunsee. Neben dem Besuch der Privat­sammlung Alt Gmundner Fayencen von Ernst Grabner, die seit 2024 im Haus der Keramik am Rathausplatz öffentlich gezeigt wird, stand auch eine VIP-Führung durch die Gmundner Keramik Manufaktur GmbH& Co KG auf dem Programm. Dabei durften die Teilnehmer:innen die Technik des Flammens auf einem eigenen Teller ausprobieren, der nach dem Glasurbrand per Post zuge­schickt wurde. Das Flammen, das 2021 in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen wurde, ist eine spezielle Verzierung von Keramiken und steht in der Tradition der Malhornware der Renaissance. Diese Art Marmorierung ist in Gmunden seit dem 17. Jahrhundert nachgewiesen und bis heute durchgehend in Anwendung. Aus einer Fleckentechnik, bei der Klekse und Striche in blauer, grüner und brauner Farbe auf die weiße Blei-Zinndioxidglasur der Fayence aufgetragen wurden, entwickelte sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der viel regelmäßigere Flammdekor. Dabei werden die Farben mit einem sogenannten Malhorn in Schleifen, Schlingen und Bändern aufge­tragen. Dieses Malutensil verdankt seinen Namen dem Horn einer Kuh, in dessen Spitze ein Gänsekiel eingesetzt wurde, aus dem in früheren Zeiten die Farbe herausfloss. Zeitgleich begannen die Gmundner Hafner ihre Fayencen gegenständlich und aufwändig mit dem Pinsel zu bemalen, wodurch der Dekor Grüngeflammt seit dem 19. Jahrhundert nur noch auf Gebrauchsge­schirr Anwendung fand. In der Nachkriegszeit erlebte die Flammtechnik eine Renaissance: Ein gedeckter Tisch im Dekor Grüngeflammt wurde zum Symbol österreichischer Gast­lichkeit. In den letzten Jahren ist die Begeis­terung für das österreichische Geschirr aus Gmunden abermals neu entfacht: Den Dekor Geflammt gibt es mittlerweile in mehr als zehn Farben und neuerdings im Dekor Regenbogen. Obwohl das Museum eine große Samm­lung an malhornverzierter Keramik besitzt, befindet sich darunter kein historisches Werkzeug, mit dem diese Technik ausgeübt wurde. Erfreulicherweise schenkte uns die Gmundner Keramik Manufaktur ein kerami­sches Malhörndl, womit eine Sammlungs­lücke gefüllt werden konnte. Es ist im Dekor Grüngeflammt, hat zwei eingedellte Seiten, damit das Gerät beim Malen besser gehal­ten werden kann, und einen abgeflachten Boden. Die Malfarbe wird über eine breite Öffnung eingefüllt, die mit einem Schwamm verschlossen wird. Seit etwa 20 Jahren wird die Farbe von einer speziell ausgebildeten Flammerin an der Malstation gekonnt mit einem feinen Schlauch auf die Rohware gespritzt. Zur rezenten Ausstattung einer Töpfer­werkstatt gehört ein birnförmiges Malhorn aus Gummi, das eine bessere Kontrolle der ausfließenden Malengobe erlaubt. So ein Gummibällchen aus dem burgenländi­schen Töpferort Stoob ist seit 2004 Teil der Sammlungen des Ethnografischen ­Museums Schloss Kittsee und wird im Zent­raldepot im Hafen Freudenau verwahrt. Im Zuge der digitalen Erschließung unserer Sammlungen wurden beide Objekte fotografiert und ihre Informationen in die Museumsdatenbank aufgenommen (https://sammlung.volkskundemuseum.at). Claudia Peschel-Wacha Kuratorin, Sammlungsleiterin Keramik Glas Stein